Montag, 7. Dezember 2015

Ein Besuch im Schlafzimmer von Wilhelm Busch


Vorbemerkung: Diesen Artikel hatte ich für das Internet-Magazin "Meine-Region.de" geschrieben. Nach dem Wechsel des Betreibers der Seite konnten wir kein Einvernehmen über die Neugestaltung des Autorenvertrags erzielen. In der Folge davon wurden meine Artikel dort gelöscht. Damit sie nicht verloren gehen, veröffentliche ich diesen Artikel an dieser Stelle.

Was tun an einem Sonntagnachmittag, an dem es stürmt ‒ so heftig stürmt, dass ich das sonnige Wetter lieber nicht in der Nähe meiner geliebten Waldbäume genießen möchte? Ich mache einen Ausflug nach Mechtshausen.


Nach Mechtshausen führte mich zuletzt vor mehr als 40 Jahren ein Familienausflug. Gemeinsam mit meinen Brüdern stand ich damals etwas ratlos auf dem Friedhof vor dem Grab des berühmten Mannes. Seine Geschichten von Max und Moritz liebte ich ‒ selbst lesend, vor allem aber auch immer und immer wieder hörend von einer Schallplatte. Den Tonfall des Erzählers habe ich noch heute im Ohr. Auch andere Figuren von Wilhelm Busch kommen mir in den Sinn: Hans Huckebein, die fromme Helene oder Fipps, der Affe waren bei uns im vielgelesenen “Wilhelm-Busch-Album” vereint. Aber die Verbindung zum Grab erschloss sich mir als Kind nicht so richtig.

Nun also mein zweiter Besuch. Mittlerweile ist Mechtshausen ein Ortsteil von Seesen – und da Seesen ein aktives Stadtmarketing betreibt, wird Wilhelm Busch mit seiner Bedeutung für den kleinen Ort im Harzer Vorland zunehmend als touristisches Aushängeschild gepflegt. Gut so. Der Ausflug nach Mechtshausen lohnt sich, denn inzwischen gibt es mehr zu besichtigen als das Grabmal.


Max und Moritz weisen den Weg


Wer in den Ort hinein fährt, kommt unweigerlich auf den „Wilhelm-Busch-Ring“. Und wer auf den Wilhelm-Busch-Ring kommt, findet schnell auch die berühmten bösen Buben Max und Moritz, die unmittelbar vor der Kirche auf einer kleinen Verkehrsinsel thronen und uns die Richtung weisen. Max weist mit dem Finger Richtung Friedhof/Grabmal, Moritz (der mit dem kessen Haarschopf) zeigt unmissverständlich mit dem Finger in Richtung Wilhelm-Busch-Haus – der Ort, in dem der Dichter und Zeichner seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Eine schlichte Ruhestätte


Wir stellen das Auto am Friedhof ab und besuchen zuerst das Grab ‒ eine schlichte efeubewachsene Ruhestätte mit einem Grabstein, auf dem nur die Worte „Wilhelm Busch“ zu lesen sind. Keine Ahnung, wie oft es diesen Namen auf der Welt sonst noch gibt – hier aber kommt kein Zweifel auf, dass es sich um den einen Wilhelm Busch handelt.

Vom Friedhof aus haben wir einen wunderschönen Blick auf das Umland und einen Ausschnitt des beschaulichen Dörfchens. Nebenan dreht eine Reiterin auf ihrem Pony ihre Runden. Menschen, die uns begegnen, grüßen freundlich oder wünschen uns gar einen schönen Tag.


Wir schlendern wieder zu Max und Moritz zurück und erfreuen uns ausgiebig an der Statue. Mir gefallen Pose, Mimik, Material und Funktion als Wegweiser gleichermaßen. Wir folgen dem Zeigefinger von Moritz. Am Aufgang zum Wilhelm-Busch-Haus überholt uns jemand eiligen Schritts – der Blick auf die Uhr sagt uns, dass der Herr wohl derjenige mit der heutigen Schlüsselgewalt für das Haus ist und es nun für die Besucher öffnet.

Ein Haus erzählt Geschichte


Wir schlendern langsam durch den hübschen Vorgarten (selbst heute am Nikolaustag blühen hier noch Rosen) und betreten das ehemalige Pfarrhaus. Die erste Station für jeden Besucher ist der helle freundliche Willkommensbereich mit Museumsshop und Café (wir finden es nachvollziehbar, dass dieses in den Wintermonaten nur auf Vorbestellung betrieben wird). Wir werden freundlich und auskunftsfreudig empfangen und zahlen 2,50 Euro Eintritt pro Person.

Unser Museumsbesuch beginnt mit einem informativen, optisch, akustisch und inhaltlich ansprechenden Video, welches uns einen Überblick gibt über den Lebenslauf von Wilhelm Busch sowie seine letzten Lebensjahre (1898 bis 1908) in diesem Haus bzw. in Mechtshausen. Busch war hier mit seiner Schwester eingezogen, nachdem sein Neffe die Pfarrstelle übernommen hatte. Das Haus bot genügend Platz für alle.

Der Ausstellungsraum im Erdgeschoss erzählt viel über Buschs Eigenheiten, seine umfangreiche Korrespondenz mit - so scheint es - der ganzen Welt und seine letzten Jahre. Eine Treppe höher betreten wir leicht ehrfurchtsvoll die beiden Räume, in denen Wilhelm Busch gelebt hat ‒ ich verspüre den Impuls, vorher anzuklopfen. Alles ist weitgehend so belassen wie zu seinen Lebzeiten. Ob auch der Nachttopf unter dem Bett im Schlafzimmer tatsächlich noch das Original ist, habe ich vergessen zu fragen.

Es macht mir Spaß, mir den Dichter und Zeichner hier in seinen Räumen bildlich vorzustellen. Gezeichnet hat er in seinen letzten Lebensjahren allerdings nicht mehr und mir wird bewusst, dass aus Wilhelm Buschs Feder ja weitaus mehr Werke geflossen sind als die allgemein bekannten Bildergeschichten.


Großartige Veranstaltungen beleben Haus und Garten


Zum Abschluss plauderten wir noch ein wenig mit dem “diensthabenden” Herrn vom Förderverein (der mit der heutigen Schlüsselgewalt). Er erzählte uns gern von diesem Haus ‒ das es ohne das Engagement des Fördervereins in dieser Form wohl nicht gäbe. Wir werden hellhörig, als wir erfahren, was hier kulturell sonst noch geboten wird: Zu den vergangenen Veranstaltungen zählen zum Beispiel die Open-Air-Ausstellung “FIESE BILDER- Meisterwerke des schwarzen Humors”, gestaltet von der Cartoonfabrik in Berlin. Auch ein 3-Gänge-Menü im Wechsel mit Auftritten der Gruppe Liederjan wurde geboten. Wir nehmen uns fest vor, die Website des Hauses häufiger zu besuchen, um auf keinen Fall eine tolle Veranstaltung zu verpassen. Denn die nächste Open-Air-Ausstellung der Cartoonfabrik ist bereits fest eingeplant.

Ich verlasse das Haus nicht, ohne mir zuvor noch ein Buch gekauft zu haben: “Kochen mit Wilhelm Busch - Ein literarisches Kochbuch”. Herrlich.


Weitere Informationen

Wilhelm-Busch-Haus Mechtshausen
Pastor-Nöldeke-Weg 7, 38723 Seesen - Mechtshausen

Tel. 0 53 84 - 908 86 und Tel. 0 53 84 - 612
www.wilhelm-busch-haus.de

Öffnungszeiten:
1. März - 31. Oktober: täglich von 15 - 17 Uhr (montags geschlossen)
1. November - 28. Februar: samstags und sonntags von 14 - 16 Uhr
und auf Anfrage


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