Mittwoch, 8. November 2017

Zuwanderer: Integration durch Emanzipation

Als im Jahr 2015 viele Flüchtlinge zu uns kamen, war zunächst "Erste Hilfe" angesagt. Glücklicherweise erklärten sich zahlreiche Ehrenamtliche und gemeinnützige Institutionen bereit, diese Hilfe zu leisten.

Inzwischen sind für die meisten bereits zwei Jahre Leben in Deutschland vergangen. Und viele haben nun das Bedürfnis, sich langsam aber sicher von der Hilfe zu lösen und sich von den Helfern und Helferinnen zu emanzipieren. Gut so.

Aber diese Emanzipation ist nicht gerade einfach - setzt sie doch voraus, dass die Zuwanderer sich zunächst mal Zugang zu den vielen Informationen verschaffen, die ein selbstbestimmtes und damit auch selbst verantwortetes Leben ermöglichen. Das aber ist unter den gegebenen Umständen kaum zu leisten: Auch wer große Fortschritte im Deutschlernen macht, wird noch sehr lange brauchen, die in Deutschland üblichen Texte zu lesen und zu verstehen.

Ob Zeitungsartikel, Infomaterial, Flyer, Beipackzettel von Medikamenten, Zutatenlisten auf Lebensmitteln, Miet- und Arbeitsverträge, Hausordnung, Merkblätter, Behördenschreiben und vieles mehr: Die Texte sind in der Regel so schwer zu lesen, dass auch viele in Deutschland Aufgewachsene hier nicht durchblicken.


Leichte Sprache als Mittel zur Emanzipation


Texte in leichter oder einfacher Sprache könnten hier sehr hilfreich sein. Aber wo gibt es diese Texte? Bisher leider nur sehr selten, z.B. auf den Internetseiten von Bundes- oder Landesbehörden wie hier auf der Seite des niedersächsischen Umweltministeriums >>. Diese Art der Sprache mag vielen "kindlich" vorkommen. Aber diese einfach strukturierten Sätze sind für viele (noch) die einzige Möglichkeit, sich deutsche Texte und damit auch das Leben in Deutschland selbstständig zu erschließen. Auch Übersetzungsprogramme liefern eindeutig viel bessere Ergebnisse als bei komplexen Texten. So können also auch Menschen profitieren, die sich mit dem Selberlesen noch sehr schwertun und die Informationen zunächst in ihrer Heimatsprache lesen möchten.

Zum Glück bemühen sich zur Zeit mehr und mehr Institutionen darum, Texte in leichter Sprache anzubieten - nicht zuletzt, weil das "Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen" öffentliche Träger dazu anhält, vermehrt Texte in leichter Sprache anzubieten. Das ist noch nicht sehr konkret, aber ein Anfang.

Leicht Lesen. Deutschland verstehen.


Angefangen habe auch ich schonmal: Um Zuwanderern zu ermöglichen, sich eigenständig z.B. eine neue Wohnung zu suchen und Begriffe wie Kaution, GEZ oder Mietvertrag zu verstehen, habe ich den Blog www.ichleseselbst.de eröffnet. Mit der festen Absicht, das Themenspektrum zu erweitern.

Wer Interesse hat, eigene Publikationen bzw. Texte auch in vereinfachter Sprache zu veröffentlichen, kann sich gern bei mir melden - ich "übersetze" gern.

Weitere Infos:



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